
Alter ist, was du draus machst!
Ein Interview mit Iris Gordelik über Neuanfänge, Intuition und Ageless Living
Iris Gordelik und ich hatten vor einiger Zeit einen inspirierenden Austausch darüber, warum manche Menschen beim Älterwerden gar nicht "abbauen“ und wie sie, Iris, sich gar nicht mehr auf ein "altersgerechtes Leben“ vorbereitet.
Mit diesem Interview möchten wir Mut machen. Mut, dass du Annahmen in unserer Gesellschaft gerne hinterfragen darfst. Mut, deinem Körper (wieder) zu vertrauen. Mut, zu tun, was das Richtige für dich ist. Und Mut, etwas Neues zu starten, egal wie alt du bist.
Iris, möchtest du dich, bevor wir ins Thema einsteigen, kurz vorstellen?
Gern. Also Iris Gordelik. Ich bin Expertin für Customer Service und seit über 20 Jahren selbständig im Bereich Executive Search, also Personalberaterin, für genau diesen Bereich. Daneben engagiere ich mich für die Themen "Workation“ und "Ageless Living“ - und genau zu diesen drei Themen schreibe ich über meine Erfahrungen und Gedanken. Hauptsächlich auf LinkedIn.
Wir haben uns ja auf LinkedIn kennengelernt und dazu ausgetauscht, warum manche Menschen beim Älterwerden gar nicht "abbauen“. Du hast unter anderem gesagt, dass du dich nun gar nicht mehr auf ein "altersgerechtes Leben“ vorbereitest. Kannst du erklären, wie es dazu kam?
So mit Mitte/Ende 50 ging das bei mir los. Ich betrachtete mein Leben: Volle Kanne im Beruf, Spaß an ständig neuen Projekten, Single, arbeiten von irgendwo auf der Welt, wo es warm ist, ständig neue Leute kennenlernen. Das war so gar nicht das Leben einer Frau, die auf die 60 zugeht. Mit allen gelernten Bildern in meinem Kopf stimmte das nicht überein.
"Ich bin quasi rückwärts gealtert."
Wie würdest du den Unterschied zwischen deinem eigenen Bild von dir und dem extrinsischen Bild einer 60-Jährigen in unserer Gesellschaft beschreiben?
Mein heutiges Bild von mir hat sich in den letzten Jahren verändert. Vorher hatte ich eben genau dieses gesellschaftlich gelernte Bild im Kopf: graue Haare, altersbedingt etwas fülliger, die Rente sicher, den Mann zum Altwerden an seiner Seite, ein nettes Hobby statt berufliche Experimente. Eben alles in allem, ruhiger, gesetzter, sicher und angekommen.
Heute weiß ich, dass es zwar dieses Bild in der Gesellschaft gibt, für mich aber absolut nicht passt. In einem langen Prozess habe ich mich von diesem Bild befreit und meinen eigenen Weg gefunden. Ich habe mein "Volle-Kanne-Leben“ weiter gelebt und ein neues Projekt war Bali. Dort purzelten die Pfunde, ich habe mit Ende 50 angefangen, erstmals richtig Sport zu machen. Innerhalb von zwei Jahren habe ich eine Transformation gemacht und bin quasi rückwärts gealtert.
Du bist ein Beispiel dafür, dass es nie zu spät ist, mit dem Sport anzufangen. Magst du erzählen, wie du aufgewachsen bist und warum Sport so lange keine Rolle in deinem Leben spielte?
Als Kind war ich natürlich im Turnverein. Mit dem Einstieg ins Berufsleben, damals als Azubi, hat mir Arbeit so viel Spaß gemacht, dass Sport keine Rolle spielte. Klar war mir immer klar, ich sollte Sport machen. Die Gym Abos, die ich bezahlt habe und dann nie genutzt habe, kann ich nicht zählen. Später, als meine Karriere so richtig losging, glaubte ich, dass es einfach unmöglich ist, in meinen 18-Stunden-Arbeitstag irgendwie noch Sport reinpacken zu können.
Du hast ja auch eine ganze Menge abgenommen, welche Rolle hat das für dich gespielt?
Ich muss vorweg schicken, dass ich gar nicht geplant hatte abzunehmen. Wie gesagt, ich entsprach mit 58 dem Bild einer Frau in diesem Alter. Eben etwas fülliger und dank Corona hatte ich sogar über 100 kg bei 177 cm Größe. Ich kann aber nicht behaupten, unglücklich gewesen zu sein. Eben „ok, für mein Alter.
Ich bin dann nach der Pandemie zum "Workation“ für ein paar Monate nach Bali. Bedingt durch das warme Wetter und leckeres, gesundes Essen purzelten die ersten Kilos wie von selbst. Dieser nun schlankere Körper fühlte sich wirklich überraschend für mich an. Und je beweglicher ich wurde, desto mehr kam in mir der Wunsch nach Sport auf. Ich lernte eine wunderbare Yoga-Lehrerin kennen, die sich auch auf therapeutisches Yoga versteht. Mein Rücken war rund vom vielen Sitzen, die Schultern versteift. Naja, gelenkig war ich nicht mit meinem unsportlichen 58 Jahre alten Körper. Ohne diesen therapeutischen Ansatz hätte ich vielleicht schnell wieder die Lust verloren. Aber ich erzielte enorm schnelle Fortschritte. Nebenbei purzelten die Pfunde weiter. Nach einem Jahr war mir nur Yoga zu wenig und ich begann zusätzlich ins Gym zu gehen. Auch hier unter Anleitung mit einem Coach. Bei 6x Sport in der Woche hat der Körper einfach viel zu verbrennen. Nach etwa zwei Jahren hatte ich 68 kg, die ich bis heute locker halte.

Was sind deine Top-Tipps für Frauen, die mit Sport beginnen wollen?
Für mich persönlich gibt es zwei Tops. Erstens, sich frei von allen Alters-relevanten Begrenzungen machen. Muskeln aufbauen, den Körper formen, abnehmen… egal was Du möchtest - in jedem Alter ist es möglich. Und das Zweite ist, mit einem Coach zu trainieren. Ich mache zwar nur 6 Stunden Sport in der Woche, davon jedoch jede einzelne Stunde auf den Punkt. Dadurch habe ich schnellere Fortschritte gesehen. Außerdem begleitet jemand individuell meinen Fortschritt, was wiederum zusätzlich motiviert.
Gibt es etwas, das Frauen an unseren Blick auf Fitness und Gesundheit verändern sollten?
Mein eigener Blick darauf hat sich insoweit verändert, als dass ich früher Fitness und Gesundheit als “Aufwand” gesehen habe, für den ich mir Zeit freischaufeln muss. Dadurch stand dieser Aufwand ständig im Wettbewerb zu anderen wichtigen Terminen in meinem Kalender. Heute ist das ein Teil meines Lebens. So wie der Partner oder der Ehemann, da denkst Du auch nicht darüber nach, wieviel Zeit Du in diese Beziehung eingeplanst.
Hast du einen Ratschlag für Frauen, die sich mit dem Thema Älterwerden oder Fitness überfordert fühlen?
Ich bekam kürzlich eine sehr nette E-Mail von einer Frau, die mir ungefähr so schrieb: “Ich finde es ja toll, wie Du Deinen Körper mit fast 60 verändert hast. Aber ganz ehrlich: mich nervt das auch. Ich will in Ruhe alt werden, dick werden dürfen, auf meiner Bank im Garten sitzen und all diesen Stress beenden.
Meine Antwort war: “Ganz ehrlich: wenn Du genau das fühlst und willst, dann mach es auch!”
Niemand sollte sich von dem, was andere tun, überfordern lassen. Finde Deinen eigenen Weg.
Gibt es etwas, bei dem dich die Community unterstützen könnte, oder ein Thema, zu dem du dich gerne vernetzen magst?
Alles rund um "Ageless Living” interessiert mich und mein Hauptkanal dazu ist bei LinkedIn. Ich freue mich aufs Vernetzen.
Und da ich aktuell auf Bali lebe, freue ich mich auch auf Bali-Neugierige und kann hier selbst tolle Tipps geben. Ich glaube, in Bali ist der Einstieg in ein “Health-Life” sehr viel einfacher als in Deutschland.
Magst du, zum Abschluss, eine persönliche Botschaft oder ein Motto mitgeben, das dich in deinem Streben nach einem gesunden und glücklichen Körper leitet und welches auch vielleicht andere inspirieren könnte?
Wie gesagt, war bei mir nicht zuerst das Streben danach da. Es ist die Folge davon, meinen eigenen Weg gefunden zu haben. Das wäre auch meine wichtigste Botschaft: Folge Deiner Intuition. Deine Intuition ist der Schlüssel, der die Türen zu Deinem wahren Lebensweg öffnet.